Vom Unsinn der Glückssuche. Glück ist ein Nebeneffekt.

Wie ist das mit dir und dem Glück?
Bist du glücklich?

Hast du die Frage bejaht oder verneint? Woran hast du festgemacht, dass du gerade nicht glücklich bist? War das ein Gefühl? Oder eine Erinnerung? Oder ein ein Gedanke/eine Bewertung?

Glück ist relativ. Jeder spricht vom Glück, doch was ist Glück eigentlich? Und was ist es nicht? Ist das Ziel, glücklich zu sein, überhaupt erstrebenswert?

Viel wichtiger, als Glück zu finden, ist unsere Antwort auf diese Fragen. Du und ich sehen Lebensglück durch eine gesellschaftliche Brille. Lass uns diese Brille für die nächsten 5 Minuten beiseite legen und versuchen, einen klaren Blick auf Glück zu gewinnen:

 

Wer in dir beantwortet die Frage, ob du glücklich bist?

Die Frage, woran du Glück festmachst, ist nicht ausreichend. Die Antwort hängt unter anderem auch davon ab, welcher Teil deines Selbst diese gibt.

Ein Anteil deines Selbst ist der Teil, der Dinge direkt im Jetzt erfährt. Wenn etwas weh tut, fühlt dieses Gegenwarts-Selbst den Schmerz. Ein zweiter Anteil ist unser Erinnerndes-Selbst. Dieses Selbst bewertet und beschreibt den Schmerz im Rückblick. Das Erinnernde-Selbst kann durch Beschreibungen/Verzerrungen/Bewertungen das schönste Erlebnis zum Horror machen oder selbst den größten Schmerz gar nicht so übel wirken lassen.¹

Wer in dir beantwortete die Frage, ob du glücklich bist? Dein Erinnerndes-Selbst? Oder dein Gegenwarts-Selbst?

 

Positive Gefühle und Lebensglück

Wir verwechseln positive Gefühle wie Freude, Vergnügen etc. mit Lebensglück und setzen negative Gefühle mit Unglück gleich.

Doch deine Gefühle – unabhängig davon, ob sie positiv oder negativ erlebt werden – sind Teil des Lebens. Sie lassen sich nicht vermeiden und erfüllen eine wichtige Funktion, indem sie uns unerfüllte Bedürfnisse anzeigen.

Die größte Falle ist, zu beginnen, negative Gefühle zu unterdrücken – von sich selbst zu erwarten, sich nur positiv zu fühlen. So sind Menschen nicht gebaut.

Auf dieser Erkenntnis bauen mittlerweile auch mehrere Therapierichtung auf: Unter anderem die Akzeptanz- und Commitmenttherapie. Das Ziel dieser Therapie ist, eine andere Beziehung zu unangenehmen Gefühlen aufzubauen, um diese akzeptieren zu können.

Vielmehr als ein Gefühl, ist Glück ein allgemeiner Sinn von Zufriedenheit. Zufriedenheit auch darüber, dass ich auch mal unangenehme Gefühle habe.

 

Glück wird weder von Dingen außen noch von deinen Erwartungen bestimmt

Glück = Erwartung – Realität

Glück ist die Erwartung, die ich an die Realität stelle, minus wie es tatsächlich eingetreten ist (Realität). Werden meine Erwartungen übertroffen, bin ich glücklich ansonsten nicht.

Oder?

Nope. Diese Annahme (wie sie z.B. in diesem Artikel vertreten wird) rührt aus dem Mindset, dass uns Dinge außen glücklich machen.

Zum Beispiel: Ich würde gerne ein Startup gründen und im ersten Jahr 50.000 € Gewinn machen. Das ist meine Erwartung. In Realität mache ich aber 10.000 € Gewinn. Gerade genug, um zu überleben. Ich werde mich vielleicht niedergeschlagen fühlen und mich zusammenreißen müssen. Keine angenehme Situation. Muss ich deswegen unglücklich sein?

Glück ist das Resultat meiner Beziehung zu diesen Ereignissen. Womöglich habe ich lange darauf gewartet, mich selbstständig zu machen. Der Prozess der Arbeit erfüllt mich ungemein, sodass diese Erfahrung für mich wertvoll und sinnvoll ist. Obwohl ich also unangenehme Gefühle habe, finde ich, was ich tue, sinnvoll und erstrebenswert. Das Nebenprodukt: Ich bin mehr oder weniger glücklich.

Ob sich meine Erwartungen erfüllen oder nicht erfüllen, löst vielleicht angenehme/unangenehme Gefühle aus – macht mich aber nicht zwangsweise unglücklich. Wie trete ich mit diesen Gefühlen in Beziehung? Sind sie sinnvoll, kann ich sie akzeptieren und weitergehen?

Hohe Erwartungen machen dich nicht unglücklich. Was dich unglücklich macht, ist der Umgang damit, wenn deine Erwartungen nicht erfüllt werden.

Setze deine Erwartungen nicht runter: Habe hohe Erwartungen, aber sei vorbereitet mit Misserfolgen/Verlusten umzugehen.

 

Vom Unsinn der Glückssuche, Glück ist ein Nebeneffekt

Die gesamte westliche Gesellschaft scheint auf der Suche nach dem Glück zu sein.

“Kauf mich und werde glücklich!”, das suggerieren Werbungen. Durch Meditation, Yoga, neuen Lebensstilen versuchen wir, uns auf der “Glücksskala” nach oben zu leveln.

Doch unsere Glückssuche bereichert nur die Marketingindustrie und die Wirtschaft.

Die Suche nach dem Glück macht uns abhängig. Abhängig nach Glück und angenehmen Gefühlen. Wir wollen es und je mehr wir es wollen, desto mehr scheint es in die Ferne zu rücken.

Was ist Glück? Es ist kein Gefühl. Glück ist eine Einstellung. Es stellt sich ein, wenn du es los lassen kannst.

Glück ist das Nebenprodukt eines erfüllten Lebens, mit vielen Auf und Abs, Freude und Schmerz, Akzeptanz und dem Streben, dem eigenen Leben Sinn zu geben.

 

Sinn “finden” ist Stoff von gestern

42. Der Sinn des Lebens ist 42. Das meint der leistungsstärkste Computer im Buch/Film Per Anhalter durch die Galaxis.

Was ist der Sinn des Lebens, wer kann uns darauf eine Antwort geben?

Kein Buch, kein Philosoph, keine Maschine.

Jede Frage nach dem Sinn des Lebens, ist potenziell gefährlich. Die Antwort könnte sein: Das Leben hat keinen Sinn.

Zahlreiche Menschen kamen auch schon zu diesem Schluss. Welchen Schluss ziehst du daraus?

Dass dein Leben sinnlos ist? Dass es sich nicht lohnt, zu leben?

Ein großes Missverständnis aus meiner Sicht: Das Leben hat keinen in sich wohnenden Sinn, aber wir geben dem Leben Sinn.

Das Leben hat keinen Sinn, wir verleihen dem Leben Sinn.

Durch unsere Taten, unsere Mission und Werte.

Das gibt uns auch Abstand vom Streit über den wahren Sinn des Lebens.

Welchen Sinn willst du deinem Leben geben?

 

Wie ist das mit dir und dem Glück?

Was ist Glück für dich?

Was sagst du: Bist du glücklich?

Woran machst du das fest?

Welcher Aspekt in dir beantwortet die Frage, ob du glücklich bist?

Schreib deine Antwort in einen Kommentar.

Alles Liebe,
Raphael

Quellen, mehr zum Thema und Fußnoten:
¹…um nur zwei zu nennen, grundsätzlich gehe ich davon aus, das du und ich eigentlich ein ganzer Verein an Selbst sind, die auf die Frage unterschiedlich antworten würden.
Daniel Kahneman: Das Rätsel von Erleben und Gedächtnis TEDTalk
Derek Sivers: Sinn des Lebens

  1. Stephanie Antworten

    Danke für den bereichernden Text!!
    Ein weiteres Problem ist aus meiner Sicht die Wertung des Zustands „glücklich sein“. Natürlich ist Glück ein angenehmes Gefühl, welches wir gerne fühlen, doch finde ich es genau so wichtig vemeindlich „negative“ Gefühle wie Angst, Ärger, Zorn, Trauer, etc. wahrzunehmen und als „Botschafter“ meines derzeitigen Lebensweise/umstände willkommen zu heißen, um im weiteren Verlauf adäquat darauf reagieren zu können. Im Endeffekt helfen alle Gefühle uns doch dabei, lebendig und „sinnvoll“ zu fühlen… Auf die passende Mischung kommt es an 🙂

    • Raphael Antworten

      Guten Morgen Stephanie,

      danke für deinen Kommentar!

      Stimme dir voll zu. Meiner Meinung nach ist die Unterscheidung zwischen positiven oder negativen Gefühle wenig hilfreich. Alle Gefühle sind „Kompetenzen“ – wertvolle Rückmeldungen darüber, was ich gerade brauche. Das Einteilen in angenehme/unangenehme Gefühle verleitet uns manchmal, diese Gefühle weg machen zu wollen. Danke für die bereichernde Ergänzung! 🙂

      LG,
      Raphael

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