Kultiviere Dankbarkeit mit diesen 4 einfachen Übungen

Es war einmal eine sehr alte Frau, die glücklich und zufrieden lebte. Viele Menschen beneideten sie, weil sie eine echte Lebenskünstlerin war. Die alte Frau verließ niemals ihr Haus ohne eine Handvoll getrocknete, weiße Bohnen mitzunehmen. Sie tat dies nicht etwa, um die Bohnen zu kauen, nein, sie steckte sie einfach in die rechte Tasche ihrer Jacke. Jedes Mal, wenn sie tagsüber etwas Schönes erlebte – den Sonnenaufgang, das Lachen eines Kindes, eine kurze Begegnung, ein gutes Mahl, einen schattigen Platz in der Mittagshitze – nahm sie dies ganz bewusst wahr, freute sich darüber von Herzen und ließ eine Bohne von der rechten Tasche in die linke gleiten. War das Erlebnis besonders schön und gar überraschend, wechselten zwei oder drei Bohnen die Seite. Abends saß die alte Frau dann zu Hause und zählte die Bohnen aus der Tasche. Sie zelebrierte dies geradezu und führte sich so vor Augen, wie viel Schönes ihr an diesem Tag widerfahren war. Und auch an einem Abend, an dem sie bloß eine Bohne zählen konnte, war der vergangene Tag ein gelungener Tag – es hatte sich zu leben gelohnt.

Dankbarkeit. Ein natürliches Gefühl. Eines, das in einer selbstverständlichen Welt immer seltener wird.

Dabei ist es eines der am meisten unterschätzten Gefühle:

1) Dankbarkeit und Zufriedenheit sind beste Freunde¹  

Willst du durch die Welt gehen und sehen, was alles nicht klappt und nicht gut ist? Oder willst du durch die Welt gehen, staunend für die vielen kleinen und großen Wunder, die unser Leben bereichern?

Zufriedenheit stellt sich nicht durch Vergnügen oder äußere Umstände ein. Zufriedenheit ist deine Einstellung zur Welt um dich. Dankbarkeit schult dich, die kleinen und großen Wunder zu sehen.

2) Dankbarkeit fördert Beziehungen:

Wann hast du das letzte Mal einer Person gedankt? Ihr gesagt, wie sie dein Leben bereichert?

Dankbarkeit erhöht das Maß an Verbundenheit, das du zu deinen Nächsten spürst. Es macht eure Beziehung reicher. ²

Es macht dich zu einer Person mit einer positiven Ausstrahlung. Das hilft dir, enge Freundschaften zu schließen.

Hier ist ein Video, das diesen Punkt schön illustriert:

3) Dankbarkeit macht nicht nur glücklich, sondern auch stark.

Kultivierst du Dankbarkeit in deinem Leben, entwickelst du eine positive Haltung.  Diese hilft dir, schwierige Situationen auszuhalten und zu transformieren.

Hier ist, was Dietrich Bonhoeffer³ über Dankbarkeit und den Verlust eines lieben Menschen schreibt:

“Zuerst: Es gibt nichts, was uns die Anwesenheit eines lieben Menschen ersetzen kann, und man soll das auch gar nicht versuchen; man muss es einfach aushalten und durchhalten; das klingt zunächst sehr hart, aber es ist doch zugleich ein großer Trost; denn indem die Lücke wirklich unausgefüllt bleibt, bleibt man durch sie miteinander verbunden.

[…]

Ferner: Je schöner und voller die Erinnerungen, desto schwerer die Trennung. Aber die Dankbarkeit verwandelt die Qual der Erinnerung in eine stille Freude. Man trägt das vergangene Schöne nicht mehr wie einen Stachel, sondern wie ein kostbares Geschenk in sich.”

Die Kraft der Dankbarkeit zeigt z.B. auch dieser Artikel. Micha schreibt in seinem Blog Adios-Angst Bonjour Leben darin über eine starke Wut und wie er sie in Dankbarkeit transformierte.

Dankbarkeit ist ein unterschätztes Gefühl, das unser Leben so viel reicher machen kann.

Hand auf’s Herz: Wann warst du das letzte Mal bewusst dankbar?

Wann hast du das letzte Mal Dankbarkeit empfunden? (Was über das oft leere “Danke” im Alltag hinausgeht!)

Wenn du mehr Dankbarkeit in dein Leben bringen willst, gehe diese Rituale durch. Mach Dankbarkeit durch diese Rituale zur Gewohnheit und festen Bestandteil deines Alltags:

Übung #1 Dankbarkeitstagebuch

Du schreibst gerne? Perfekt.

Besorge dir ein Notizbuch und halte jeden Tag zu einer bestimmten Zeit ein paar Dinge fest, für die du dankbar bist. Das können kleine Dinge sein, wie z.B. erholsamer Schlaf oder Sonnenstrahlen auf deinem Gesicht. Aber auch besondere Dinge, wie ein netter Brief, inniger Kontakt oder ein schöner Sternenhimmel.

Mach dir mit deinem Dankbarkeitstagebuch bewusst, dass selbst die Dinge, die am selbstverständlichsten scheinen, ein kleines Wunder sind: Wie z.B. diese Pizza:

ich liebe pizza

Oh my god, ich liebe Pizza… Wer und was hat dazu beigetragen, dass ich so eine Pizza genießen darf?

Übung #2 Reflexion

Du bist nicht so der Typ, die Frau, der oder die gerne schreibt? Macht nichts. Plane dir etwas Zeit ein, um über Dankbarkeit zu reflektieren. Vergegenwärtige dir eine Situation und mach dir bewusst, in welcher Weise etwas in dieser Situation dein Leben reicher gemacht hat. Entwickle so Dankbarkeit für die kleinen und besonderen Dinge in deinem Leben.

Diese Übung mache ich seit mehr als einem Monat:
Morgens nach meiner Meditationssitzung nehme ich mir mindestens fünf Minuten Zeit, um drei Dinge zu finden, für die ich Dankbarkeit entwickle. Ich nehme mir Zeit, aufrichtig dankbar zu sein und nicht halbautomatisch ein “Danke” zu denken.

Diese Übung finde ich besonders kraftvoll, weil sie meine Aufmerksamkeit bereits am Morgen in eine Richtung lenkt, die mir einen positiven Ausblick auf den Tag gibt. Der Podcast von Tim Ferriss mit Tony Robbins hat mich zu dieser Übung inspiriert.

Übung #3 Aufgreifen von belastenden Gedanken

Manchmal belasten uns Gedanken wie: „Mein Bruder hat meinen Geburtstag vergessen.“

Du kannst es dir zur Gewohnheit machen, jeden Abend einen solchen Gedanken aufzugreifen: Finde etwas, wofür du dennoch dankbar sein kannst.

“Wenn ich ihn Anrufe, ist er immer für mich da – dafür bin ich dankbar.”

Das soll den belastenden Gedanken/das belastende Gefühl nicht wegmachen oder entwerten: lediglich ergänzen, um ein ausgewogenes Bild der Situation zu bekommen.

Diese Übung ist aus der Akzeptanz- und Commitmenttherapie.

Übung #4 Dankbarkeitsbrief, -gespräch

Eine der wirksamsten Übungen ist, die Dankbarkeit, die du jemanden gegenüber empfindest, auszusprechen. Das kann z.B. in der Form eines Briefes oder Gespräches passieren. Beschreibe die Details, was dein Gegenüber gemacht oder getan hat und sage ihr/ihm, was das in dir ausgelöst hat und wie es dein Leben bereichert.

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Einen Brief zu schreiben, ohne ihn abzuschicken, erhöht dein Wohlbefinden bereits. Das meinen zumindest einige Studien. Den stärksten Effekt auf das Wohlbefinden hat Dankbarkeit allerdings, wenn es ausgesprochen wird.

Seit mehr als einem Monat bereichert mein Dankbarkeitsritual meinen Alltag. Teste es auch für dich: Wähle ein Ritual und ziehe es für 28 Tage durch.

Bist du dabei? Schreib einen Kommentar! Welche Dankbarkeitsrituale kennst du oder hast du bereits gemacht? Ich freue mich über einen Austausch mit dir.

Alles Liebe,
Raphael

Quellen und mehr zum Thema:
¹ Emmons, R. A. (2007). THANKS! How the New Science of Gratitude Can Make You Happier. New York: Houghton Mifflin Company.
² Algoe, S. B., Haidt, J., Gable, S. L., & Strachman, A. (2007). Beyond reciprocity: Gratitude and relationships in everyday life. Manuscript under review.
³ Dietrich Bonhoeffer; Brief an Renate und Eberhard Bethge, Gefängnis Berlin-Tegel an Heiligabend 1943 und
http://www.gratefulness.org/readings/db_grief_short.htm
www.gratefulness.org
Tim Ferriss and Tony Robbins über Morgenroutinen und mehr: Zum Podcast

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