Warum Depressionen und Selbstzweifel zum Leben gehören – Interview mit Sebastian Mauritz

Sebastian Mauritz

Sebastian Mauritz ist NLP (Neuro-Linguistisches-Programmieren) Lehrtrainer, Coach und erfolgreicher Unternehmer. Seine Mentoren und Lehrer sind unter anderem erfahrene Therapeuten wie Steven Gilligan, Gunther Schmidt, Tom Andreas, Marshall Rosenberg, Milton Erickson und viele mehr.

Er hat im Leben viel gemacht und ausprobiert. Im August in Abano Therme am Metaforum hat er sich 35 Minuten für dieses Interview Zeit genommen

 

In diesem Interview erfährst du:

  • Übungen von denen Sebastian Mauritz im Alltag am meisten profitiert
  • seine Glaubenssätze
  • Gewohnheiten, die er sich angeeignet hat
  • seine Einstellung und Haltung zum Leben

Wir haben im Interview viel gelacht, diskutiert und ich für meinen Teil habe viel gelernt.

Du findest das Interview in Form einer Audiodatei und als Transkript. Das Transkript enthält nicht das gesamte Interview (aber ca. 80%). Wenn du nichts verpassen willst, empfehle ich dir, den Podcast anzuhören.

Das Interview wurde auf dem Metaforum aufgenommen. Obwohl wir uns bemüht haben, einen ruhigen Platz zu finden, wird das Gespräch von einigen Hintergrundgeräuschen begleitet.

Und jetzt, ohne weitere Verzögerung, Vorhang auf für Sebastian Mauritz:

RK: Cool, dass du dir Zeit nimmst.

Sebastian Mauritz: Danke, danke….

RK: Du bist Trainer, du coachst und du hast eine Marketing Firma geleitet. Mich würde interessieren, woran glaubst du – was sind deine Glaubenssätze?

Sebastian Mauritz: Eine meiner Hauptantworten war immer: “Ja das bekomme ich hin”. Meine innere Stimme sagt entweder jo oder nö.

Wenn die jo sagt, dann krieg ich das irgendwie hin. So habe ich vor zig Jahren ohne Kenntnis von irgendetwas einen Kinospot verkauft. Kunde hat mich gefragt: “Kannste?” Sagte ich “jo”. Wir haben es hingekriegt.

Wenn meine innere Stimme “jo” sagt, dann krieg ich das hin…

Ich habe einen Glaubenssatz, dass ich im Prinzip alles schaffen kann, wenn ich’s denn schaffen soll und wenn das nicht funktioniert dann halt etwas anderes.

Und so habe ich in meinem Leben schon viele Jobs gehabt in vielen verschiedenen Bereichen gearbeitet. Das verbindende Element war für mich immer Kommunikation und Menschen. Alles was ich mache, mache ich aus der Liebe zum Menschen heraus. Ich habe Bock auf Menschen, ich finde Menschen wunderbar und fantastisch. Für mich ist einfach die Vielfalt, die wir haben – diese sieben Milliarden verschiedenen Wesen und Universen – das ist einfach etwas, was mich begeistert und ich finde diese Vielfalt und die Gemeinsamkeiten in der Vielfalt einfach geil.

Außerdem glaube ich, dass wenn Menschen mehr auf ihre Intuition vertrauen würden, dann würde der Kopf mehr mit dem Körper sprechen. Wir sind ja in einer sehr rational, kopfgesteuerten Gesellschaft unterwegs und einer meiner Glaubenssätze ist, dass sowohl als auch richtig sein kann.

Sowohl als auch kann richtig sein

Nicht nur der Kopf, nicht nur die Intuition, sondern sowohl der Kopf als auch der Körper im Dialog, in einer Kooperation. 

RK: Das war sicher auch eines meiner Top-Learnings hier auf dem Metaforum: Darauf zu vertrauen, was sich richtig anfühlt.

Sebastian Mauritz: Ich finde es braucht Zeiten, die ich Ich-Zeit nenne. Wir sind ja sehr viel im Außen und leider oft oder einfach meistens dann auch mit irgendetwas im Außen beschäftigt. Mit Smartphone Facebook oder was auch immer.

Ich meditiere zwei mal am Tag. Seien es auch nur ein paar Minuten. Das sind meine Phasen der Ich-Zeit. Manchmal mache ich, wenn es überhaupt nicht reinpasst, zumindest eine einminütige Meditation, auch wenn ich zu spät zu einem Termin komme. Ich nehme mir eine Minute Zeit und sage mir eine Minute atmen und danach ist die Welt anders. Einfach nur auf die Ein- und Ausatmung achten.

Ein Atemzug macht schon einen deutlichen Unterschied. Sich mit sich selber zu verbinden, immer wieder weil man hunderte oder tausende Male am Tag ohnehin den Kontakt zu sich verliert. Deswegen ist das wieder zu sich finden, das Wichtigere und egal wie weit man ist, man kommt immer wieder aus seiner Mitte raus und der Weg zurück – der ist wichtig.

Den kriegt man aber auch irgendwann schneller hin und ich glaube, ich komme genau so oft aus meiner Mitte raus wie viele andere Menschen. 

RK: Wie bei allen Menschen nimmst du auch so eine Pendelbewegung wahr. Was ist denn so das Ziel für dich, wenn du zwischen in Kontakt mit dir und nicht in Kontakt mit dir hin und her pendelst?

Sebastian Mauritz: Ich finde einfach, dass beides zum Leben hinzugehört. Das wäre genau so, als würde man fragen, was findest du besser. Einatmen oder ausatmen? Das Eine bedingt das Andere. Anspannung und Entspannung gehören auch zusammen.

Das wäre als würde man sagen: Was findest du besser: Einatmen oder ausatmen? Das Eine bedingt das Andere.

Ich finde unser Gehirn so fantastisch. Einfach allein wie das Gehirn angelegt ist, kommt es automatisch auch zu diesen Bewegungen. Von daher finde ich das Pendeln gut. Wo Pendeln ist, ist Leben.

Wo Pendeln ist, ist Leben

RK: Um noch mal zu den Gewohnheiten zurückzukommen. Du hast erwähnt du meditierst zweimal pro Tag. Gibt es noch andere Gewohnheiten, die du täglich praktizierst und die dir Rhythmus geben im Alltag?

Sebastian Mauritz: Das, was ich mindestens drei bis viermal die Woche versuche umzusetzen, ist Sport. Sei es jetzt Fitnesstraining, Highintensiv-Training. Seien es meine Yoga-Stretchings, ein paar Twists oder Sonnengrüße, um einfach so ein bisschen in den Flow zu kommen.

Ich versuche mich immer zu bewegen. Ich habe eine Uhr, die mich erinnert, wie viel ich mich am Tag bewegt habe, die die Schritte zählt. Wir sind da in einer guten Kooperation. Ich kann es auch mal aushalten, wenn mir die Uhr zurückmeldet “du warst heute eine faule Sau.” Das ist ihr Recht und ich gehe da auch total gut mit mir um.

Nicht im Sinne eines Zwangs. Oft genug, wenn ich aus dem Büro komme und ich mich echt richtig schlaff fühle, was ja eigentlich ein Widerspruch ist, guck ich auf die Uhr und lese 35% Aktivitätsindex und denke: “Ne jetzt gehste gerade deswegen noch einmal laufen.”

Das ist mein Friendly Asskicker, also die freundliche Einladung und Rückmeldung – ein bisschen Bewegung wäre nett. Eine weitere Gewohnheit ist, dass ich mich sehr gesund ernähre – ich ernähre mich ketogen. Das heißt sehr viel Fett, Stichwort Bullettproof Coffee, google das mal – fantastisches Konzept.

Ich rolle mich außerdem abends mit einer Faszien-Rolle. Ich mache das, um meine Faszien und meine Muskeln locker und geschmeidig zu halten. (Anmerkung: Siehe Notizen unten)

RK: Was heißt du rollst dich?

Sebastian Mauritz: Ich rolle mich über solche Schaumstoffrollen. So rolle ich meine Muskelstränge aus.

Bei all dem bin ich immer so, dass ich Dinge zwei oder vier Wochen ausprobiere. Wo ich sage, OK ich mach das jetzt zwei Wochen und dann lasse ich es auch bewusst und schreib mir das in meinen Kalender. Wenn ich das zwei Wochen gemacht habe und das dann bewusst lasse, merke ich meistens daran ob es mir fehlt, ob ich das sozusagen wieder brauche oder nicht.

So habe ich mit viel Wasser trinken angefangen. Ich trinke pro Tag zwischen drei und fünf Liter Wasser und ich habe das mal über einen Zeitraum gemacht. Dann habe ich bewusst nur einen Liter Wasser pro Tag getrunken und ich habe richtig gemerkt, wie diese ganze Wachheit und die Fitness runterging innerhalb von ein bis zwei Tagen.

Das Lustige, es geht einfacher, wenn die Zeit begrenzt ist. Wenn ich sage, ich mach das zwei Wochen, dann ist das wie so eine Challenge. Zwei Wochen kann man mal jeden Tag ein Gedicht schreiben oder jeden Tag fünfzig Liegestütze machen über den Tag verteilt oder jeden Tag einen Spaziergang machen oder einen Liter Wasser trinken. Das geht. Wenn ich dir sage, das musst du jetzt für dein Leben lang machen, dann hast du keinen Bock.

RK: Riesen Ziele sind der Motivationskiller.

Sebastian Mauritz: Genau, für mich sind die Babysteps wichtig.

Meine Klienten frage ich immer: “Wie isst man einen Elefanten?”

In kleinen Häppchen. Stück für Stück.

RK: Du hast schon erwähnt, dass du die Arbeit mit dem Menschen liebst. Ist das dein Wofür?

Sebastian Mauritz: Ich bekomme die Frage immer wieder gestellt. Ich möchte die Welt jeden Tag ein bisschen besser machen. Ich glaube, wenn ich am Tag nur einem Menschen eine Sekunde mehr qualitative Aufmerksamkeit schenken kann oder wenn ich irgendwo etwas sehe, sei es jetzt an einer Kasse eine Verkäuferin, die einfach ein echt nettes Lächeln hat und ihr zu sagen, “Sie haben ein wirklich nettes Lächeln”.

Das ist meine Wahrnehmung, ich möchte ihr das anbieten. “Können Sie etwas damit anfangen?” Die Herzen der Menschen gehen auf.

Es gibt mehrere Supermärkte in Göttingen wo ich schon von weitem begrüßt werde, weil ich mich nur bedankt habe, dass sie mir weitergeholfen haben. “Ach der nette Mann, für sie mache ich nochmal die Kasse auf.” Dann stehe ich halt nicht an. Und das hat Vorteile, das ist Win-Win-Win.

RK: Win-Win-Win auch, weil diese Menschen die Wertschätzung dann weiter geben.

Genau. Es ist eigentlich so menschlich. Es braucht gar nicht immer, riesige Dinge zu sein. Ich glaube eher die kleinen Mosaiksteinchen, die man jeden Tag beitragen kann, das ist worum es wirklich geht.

Die kleinen Mosaiksteinchen, die man jeden Tag beitragen kann, das ist es worum es wirklich geht.

RK: Das wäre ein nette Challenge: Eine Wertschätzung pro Tag und dann gucken, was rauskommt – in welcher Weise das unser eigenes Leben bereichert

Sebastian Mauritz: Es gibt in der positiven Psychologie das, was man random act of kindness nennt, also zufällige Akte der Freundlichkeit. Einfach am Tag drei Menschen ein Kompliment zu machen im Sinne von “mir gefällt Ihr Lächeln. Danke.” Ist etwas, was überhaupt nicht übergrifflich ist, es ist eine Ich-Botschaft – eine Aussage der Wirkung auf mich und was der andere damit anfängt, ist erstmal seins. Aber meine Erfahrung ist, dass das bemerkenswerte Auswirkungen hat.

RK: Was sind Einstellungen, Haltungen vielleicht sogar konkrete Übungen, die du im Laufe deiner Trainertätigkeit kennengelernt hast und wovon du am meisten profitierst?

Sebastian Mauritz: Das eine ist eine Haltung und die Haltung für mich ist die Demut der Änderung des menschlichen Verhaltens gegenüber.

Ich finde Demut im Sinne von Achtsamkeit, um sozusagen anderen Menschen in Demut zu begegnen oder auch wie es auf diesen schlauen Spruchkärtchen steht: Jeder kämpft seinen eigenen Kampf, sei freundlich, ist etwas, was mir sehr hilft, was ich immer wieder vergesse, wo ich immer wieder auch denke, wieso ist der denn so doof. Was für ein Vollarsch. Ich weiß nicht, ob ich hier fluchen darf, kannst du ja wegpiepen. So ein Vollpiep.

Jeder kämpft seinen eigenen Kampf

Immer wieder auch mich zu fragen, wenn mich im Außen etwas nervt, was brauche ich denn gerade? Niemals macht jemand irgendetwas mit mir – das ist eine Illusion. Wie ich auf einen äußeren Reiz reagiere, gibt mir einen Hinweis auf mein Bedürfnis und ich komme da auf bemerkenswerte Antworten.

Wenn ich jemanden, sagen wir es mal zu gut Deutsch, scheisse finde, dann weist der mich als eine Art Lehrmeister auf ein gefühltes Defizit, einen gefühlten Mangel von mir hin. In meinen Meditationen frage ich mich dann regelmäßig, was ich in dem Moment gebraucht hätte.

Wenn du auf Übungen zu sprechen kommst, dann ist es die brilliante und einfache Frage: “Zu wie viel Prozent bin ich gerade hier” und ich meine nicht körperlich sondern geistig.

Zu wie viel Prozent bin ich gerade hier?

Was verändert sich, wenn ich nur kurz auf meinen Atem achte. Erhöht sich die Präsenz oder wird es weniger? Auch Gespräche mit einer möglichst hohen Prozentzahl zu führen, macht einen solchen Unterschied für die Qualität einer Begegnung.

Das ist etwas, wo ich merke, dass die Qualität des Kontaktes, die Qualität der Verbindung dadurch dramatisch schlechter wird. So entstehen Missverständnisse, so entsteht auch kein gelungener wertvoller Kontakt. Ich finde dieser wertvolle Kontakt, ist wichtig im Leben.

Das Gehirn macht uns zu einem sozialen Wesen. Der Mensch ist auf Kooperation ausgelegt und ich glaube, wenn ich zu sehr von mir dissoziiert (= nicht in Kontakt) bin oder zu sehr in meinen Konzepten gefangen bin, dann fehlt mir einfach der Kontakt von Mensch zu Mensch. Ich glaube der ist das, was auch der Welt mehr Frieden bringen würde und sehr gut tun würde.

RK: Ich hatte vor kurzem ein Gespräch in dem wir – ich und meine Gesprächspartnerin sehr präsent waren. Vorher war ich müde und in einem schwierigen Zustand. Nach dem Gespräch fühlte ich mich wie neu – ganz regeneriert.

Sebastian Mauritz: Es ist nicht nur das Eine oder das Andere, sondern es ist auch etwas dazwischen – was entsteht. Wenn ich über bestimmte Dinge nachdenke, habe ich Leute, die ich anrufe und sage “Mensch können wir uns mal treffen, ich muss mal über ein Thema nachdenken und ich hätte dich gern als mentalen Sparringsparter”.

Wenn ich für mich alleine über etwas nachdenke, ohne darüber zu sprechen, ist es anders, als wenn ich im Dialog mit anderen bin. Dialog heißt für mich auch manchmal der Andere hat zehn Worte über eine Stunde und ich habe halt die anderen 20000 Worte. Aber irgendwie öffnen manche Menschen so Denkräume, in denen ich besser denken kann. Ich glaube, diese Qualität bei Menschen zu kultivieren, ist unheimlich wichtig.

RK: Da kommt auch wieder die Frage “zu wie viel Prozent bin ich gerade hier?” ins Spiel…

Ich arbeite auch viel in Firmen mit Führungskräften. Manchmal sind da die Antworten einstellig, wenn die gerade noch die Mails gecheckt haben und nur noch kurz die Welt retten. Die sind körperlich anwesend, aber geistig sind die völlig wo anders. Das ist für mich einer der Hauptstressoren im Berufsalltag. Ich fange Seminare nicht an, wenn die Teilnehmer nicht mindestens bei 50% sind. Das heißt nicht, dass ich in einem vorwurfsvollen Modus frage: “Haben Sie wieder die Mail gecheckt? Multitasking macht Menschen dümmer!“

Darum geht es gar nicht, sondern es geht darum zu sagen: “Ist das immer so, war es mal anders? Können Sie mir gerade gut zu hören und können sie sich gerade etwas mitnehmen?”

Ich glaube, dass in Firmen ein großer Stressor ist, dass die Menschen nur ganz wenig Zeit mit einer Aufgabe verbringen und immer schon wo anders sind. Das ist quasi eine mentale Zerfaserung, wo man sagt: “Naja ich hätte gern zehn Körper, weil dann könnte ich die zehn Aufgaben, die ich gerade mental bearbeite oder versuche zu bearbeiten, faktisch umsetzen.”

Ich glaube, dass das eine große Aufgabe ist, mehr Qualität in den Moment zu bringen. Wo wir wieder beim Atmen sind. Wer atmet, ist in der Gegenwart, wer in der Gegenwart ist, lebt ewig.

Wer atmet, ist in der Gegenwart, wer in der Gegenwart ist, lebt ewig.

Übrigens in der Gegenwart entsteht auch keine Angst. In der Gegenwart sind meistens auch andere Themen wie Ärger oder was auch immer sehr viel weniger.

Nehmen wir jetzt mal das Thema Angst. Angst ist eine Vorstellung über ein zukünftiges Ereignis. Ich kann Angst nicht vor etwas haben, was in der Vergangenheit hätte passieren können. “Ich habe gerade Angst, dass ich vor drei Jahren vom Baum gefallen wäre.” Geht nicht.

Ich kann Angst immer nur über etwas Zukünftiges entwickeln.

RK: Ein Freund sagt, Angst ist erwarteter Schmerz in der Zukunft. Erwarteter Verlust der Sicherheit.

Sebastian Mauritz: Angst ist ein Rückmeldehelfer: ich brauche gerade Sicherheit oder ich brauche gerade Klarheit.

Angst ist etwas wertvolles. Ärger haben auch viele Menschen. Merkt man meistens über Lippenpressen oder so ein inneres Grummeln. Ärger ist eine Zielerreichungskompetenz.

Jedes menschliche Verhalten ist zielgerichtet, ob bewusst oder unbewusst. Wenn ich Ärger verspüre, dann ist das in der Regel, weil jemand meinen Zielen in den Weg kommt.

Ich fahre viel Auto und über Jahre hinweg, habe ich mich immer geärgert, wie ich gerne sage, wenn Menschen sehr dicht vor mir her fahren. Sprich die waren halt links und das nervt. In Deutschland kann man sozusagen noch relativ frei fahren. Ich habe mich tierisch aufgeregt.

Da war nix mit zu wie viel Prozent bin ich da und atme mal. Ging nicht. Da wurde mir irgendwann klar, dass das für mich alles auf unbewusster Ebene Zielhindernisse darstellen und das macht es jetzt noch nicht ganz “weg”, aber ich kann mit dem Ärger anders umgehen.

“Ach ein Hinweis darauf, dass es mir gerade wichtig ist, anzukommen.”

Das heißt, ich gehe auch mit mir anders um. Ich kann mit dem Ärger sozusagen besser arbeiten und er ist dann weniger geworden sehr viel weniger. Kein rumschreien mehr, kein aggressives fahren…

Ärger ist eine der drei Antworten auf Stress: Flucht, Kampf und Todstellen. Ärger ist Kampf. Dichtes Auffahren, das Winken mit einem Finger und Rumschreien hilft keinem im Strassenkampf.

Es geht praktisch immer um Selbststeuerung. Der Umgang mit dem unwillkürlichen Erleben, der Umgang mit den alten Anteilen und Identitäten, die wir in uns drin haben.

RK: Noch ein kleiner Themenwechsel: In ein paar kurzen Sätzen, was sind deine Hauptbotschaften, die du in deinen Resilienz Workshops und Seminaren vermittelst?

Sebastian Mauritz: Das für mich wichtigste mittlerweile ist, dass ich glaube, wir sind auf der Welt, um immer bessere Fehler zu machen. Das Gedicht von Samuel Becket beschreibt das schön:

Ever tried,
ever failed,
no matter,
try again,
fail again,
fail better

Bessere Fehler zu machen, finde ich so entlastend – die eigene Lust am Scheitern zu entdecken. Ich bin heute ca. 40 mal gescheitert: Später aufgestanden, als ich wollte, dann hatte ich etwas im Zimmer vergessen und musste noch mal zurück.

Allein bevor ich aus meinem Hotelzimmer raus bin, bin ich schon zehn mal gescheitert. Ich finde damit gut umzugehen und zu sagen, ich merke die Grenzen meiner Menschlichkeit. Ist ja auch gut zu merken, dass man Mensch ist. Man könnte ja auf die Idee kommen man ist kurz vor der Erleuchtung, das wäre ja todlangweilig.

Das ist meine Hauptbotschaft. Geht gut mit euch um. Entdeckt eure Grenzen. Entdeckt auch eure Potentiale. Vielleicht die wichtigste Botschaft ist für mich, die Frage, wer ist der wichtigste Mensch in deinem Leben? Da kommen so Antworten wie: meine Partnerin oder meine Eltern oder oder…

Und dann frage ich meistens, mit wem hast du denn die längste Beziehung. Und die längste Beziehung hat man mit sich selber und wenn ich manchmal mitbekomme, wie manche Menschen mit sich umgehen – die gehen noch nicht mal mit ihrem schlimmsten Feind so um, wie mit sich selber.

Allein wie sie mit sich selber sprechen… Eigentlich sollten wir ja sehr liebevoll und wertschätzend mit uns umgehen, denn mit uns verbringen wir die meiste Zeit. Wenn ich höre, wie die meisten Menschen mit sich sprechen – das ist ja eine Katastrophe. Blöde Sau, Vollidiot, kannste wieder nicht. Wirklich hilfreich ist das nicht…

RK: Hast du denn da Übungen, Rituale oder Gewohnheiten, die dir dabei helfen diese Botschaft zu verinnerlichen.

Sebastian Mauritz: Ich kümmere mich da in meinen Meditationen darum. Ich versuche immer dann, wenn sich jüngere Versionen von mir zeigen, mit denen gut umzugehen. Ich habe von Gunther Schmidt, einem meiner wichtigsten Lehrer, eine Vorstellung gelernt. Er hat dieses Bild Geschenk an die Welt entwickelt.

Dabei geht es um die Frage, wenn ich als Geschenk an die Welt durch den Tag gehe – heimlich natürlich. Ich würde niemanden davon erzählen. Wenn ich das tun würde, experimentell vielleicht auch nur eine Woche. Was wäre dann anders? Wie würde ich atmen? Wie wäre Körperkoordination? So als Geschenk durch die Welt zu gehen? Wie wäre meine Wahrnehmung, wie wäre die Reaktionen von anderen, wie würde ich sprechen, wie würde ich mit mir sprechen?

Das fängt morgens vorm Speigel an. Wenn ich mich vorm Spiegel angucke und sage “ich kenn dich nicht ich wasche dich trotzdem.” Das ist eine Art in den Tag zu starten.

Oder wenn man sich anguckt und denkt, Mensch du könntest ein Geschenk an die Welt sein. Dann ist es noch mal anders. Und auch das gelingt mal und mal nicht.

RK: Das ist ein schönes Bild, werde ich ausprobieren 😀

RK: Gibt es irgendeine Frage, die ich noch nicht gestellt habe und die du gerne beantworten willst?

Sebastian Mauritz: Ich glaube einfach, dass diese Interaktion mit Menschen, dass der Kontakt von Mensch zu Mensch, ganz viele Dinge heilt, die wir uns selber oder andere uns zufügen.

Ich glaube, dass der Kontakt von Mensch zu Mensch wirklich wichtig ist. Und andere zu hassen und zu hoffen, dass es ihm dadurch schlechter geht, ist für mich ein bisschen wie ein Gift zu trinken und zu hoffen, dass der andere stirbt.

Andere zu hassen und zu hoffen, dass es ihm dadurch schlechter geht, ist wie Gift zu trinken und zu hoffen, dass der andere stirbt.

Das heißt, dieses Konzept von Vergebung im Sinne von loslassen, ist etwas, was erstmal Kraft kostet, manchmal auch einfach ein bisschen Zeit braucht, um einfach Dinge loslassen zu können – es anderen Menschen einfach auch mal erlauben, dass sie einen scheisse finden, dass sie einen blöd finden oder was auch immer ich glaube.

Diese ganzen aufwühlenden Themen mit sich rumzuschleppen – diese ganzen Schuldthemen macht uns das Leben schwer. Ich habe mich ja auch bei vielen Leuten über die Jahre einfach mal entschuldigt und gesagt: “ja sorry, ich glaube ich war damals ein anderer und ich glaube zwischen uns ist noch etwas und dafür wollte ich mich mal entschuldigen.” Viele sagen: “Spannend hast dich ja verändert” oder sagen “nö da war gar nichts.”

Ich glaube, es ist total wichtig dieses offenen Themen zu schließen. Zur Ruhe zu kommen.

Man muss nicht jeden Klarstellungsbrief, den man an eine Person schreibt, auch abschicken. Manche Briefe habe ich geschrieben und dann verbrannt. Dann war für mich das Thema auch durch. Aber ich glaube, mit wenigen offenen Themen durch die Welt zu laufen, ist etwas sehr entspannendes.

RK: Da fällt mir ein Zitat dazu ein. Ich weiß nicht mehr von wem es ist, aber es geht in etwa so:

Vergebung ändert nicht die Vergangenheit aber es bereichert die Zukunft.

Sebastian Mauritz: Im systemischen Sinne, ist das genau das: Nicht das Phänomen oder das Thema ist das Problem, sondern lediglich die Art wie ich damit in Beziehung gehe. Wenn ich jemandem vergebe und sage: “Du ich wollte mal sagen, ich habe gefühlt da war etwas offen, für mich ist das Thema jetzt erledigt.” Da kann der Andere immer noch sauer auf mich sein, aber für mich ist es anders und das ist meistens schon der erste schritt Richtung Heilung und einem glücklicheren Leben.

Ich glaube das Menschen dafür gemacht sind, gesund zu sein und ein glückliches oder sagen wir mal zumindest ein zufriedenes Leben zu führen. Und auch da: Ohne die dunklen Seiten in meinem Leben – ohne die Depression, Selbstzweifel, alle scheisse Dinge, die passiert sind, wäre ich nicht der, der ich bin.

Da ist wieder die Pendelbewegung, nur Depression nur Selbstzweifel ist nicht gut, gewisse Dosen davon, lassen mich aber die Bandbreite des Lebens spüren. Dann ist es nicht nur tschaka, taschaka und happy people – das ist es auch nicht.

Ein bisschen Depression und Selbstzweifel lassen mich die volle Bandbreite des Lebens spüren.

 

Das sieht man gerade im Bereich von Drogen Missbrauch. Wenn man da Menschen fragt, ist immer der erste Tripp das, was die Meisten erinnern, weil das so prägend war. Aber jede Wiederholung ist schwächer als dieser erste Tripp. Und das ist so ein bisschen dieses Hinterherjagen dem einen Ideal.

Wenn man beide Seiten lebt. Das Helle und das Dunkle, dann kann man im Dunkeln sich aufs Helle freuen und über die Qualität des Hellen, weiß man, weil man die Dunkelheit kennt und so hat man immer eine Chance sozusagen die Bandbreite zu spüren.

Das ist ein gutes Schlusswort.

Vielen Dank Sebastian Mauritz.

Linkliste

 

 

Schau vorbei auf seinen Webauftritten:
www.sebastianmauritz.de

www.resilienz.wiki
www.nlp-akademie.de

Random Acts of kindness
https://en.wikipedia.org/wiki/Random_act_of_kindness
https://www.randomactsofkindness.org/kindness-ideas

Ketogene Ernährung
http://www.ironsport.de/KetoTheorie.htm

Bulletproof Coffee
http://primal-state.de/bulletproof-coffee/

Rollen Faszien
http://blackroll.de/

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