Du hast Mist gebaut? Wie du reagieren kannst, um Vertrauen wieder aufzubauen.

Letzte Woche habe ich Mist gebaut. Ich war zu einem Freund nicht so ehrlich, wie ich mir das selbst wünschen würde.

OK. Shit Happens?

Aber was dann: Vergessen? Ignorieren? Reden? Wie gehe ich damit um, wenn vergangene Entscheidungen ungewollte negative Auswirkungen auf andere haben?

In diesem konkreten Fall wurde letzten Endes unsere Freundschaft gestärkt, trotz meines Verhaltens zu Beginn. In diesem Artikel analysiere ich, welche Haltungen wichtig waren, damit uns das gelang.

Was sind zunächst gängige Reaktionen, wenn wir damit konfrontiert sind, dass eine unserer Entscheidungen ungewollte negative Konsequenzen auf andere hatte?

Wir ziehen den Kopf ein und denken, wir seien rücksichtslos und achtlos

Konsequenzen: Reagiere ich auf diese Weise, fühle ich Scham und stärke den Glauben, dass ich ein schlechter Mensch bin. Außerdem hat mein Gegenüber nicht den Eindruck, verstanden zu sein. Womöglich fühlt sich dieser sogar mies, weil es mir jetzt schlecht geht.

Wir haben den Eindruck, die anderen verstehen uns nicht und spielen den Vorfall unnötig auf.

Unser Körper ist angespannt und wir machen zynische Kommentare: Wir empfinden Wut.

Konsequenzen: Wir haben Urteile über unseren Gegenüber.

  • Er/sie versteht mich nicht.
  • Er/sie tut mir unrecht.

Fresse ich den Ärger in mich rein, leide ich langfristig. Lebe ich ihn blind aus, kommt es zu heftigen, destruktiven Streits.

Wir vergessen einfach, was passiert ist.

“Kannst du dich erinnern als wir X gemacht haben und du Y gesagt hast?”
“Was ne, war da was? *hust* Schönes Wetter heute oder?”

Es ist nichts passiert, aber so was von gar nichts, dass ich mich an nichts mehr erinnern kann. Wer kennt das?

Willkommen im Club.

Konsequenzen: Wir verdrängen das Geschehene, um uns vor unserer eigenen Scham und unserem eigenen Ärger zu schützen. Das Geschehene werden wir aber so schnell nicht los, es wird immer wieder auftauchen – bis wir es verarbeitet haben. Außerdem schadet das Verdrängen auch unserer Beziehung. Der Mist schwebt immer latent zwischen uns. Wir ignorieren das und leben einfach damit, bis sich einmal zu viel Mist zwischen uns stapelt…

Stapelt keinen Mist zwischen euch

Stapelt keinen Mist zwischen euch

Sprich es an

Die Lösung ist einfach aber nicht leicht.

Einfach weil es darum geht, unsere Fehler und Dinge, die wir uns wünschen, anzusprechen. Das kann jeder, der/die auch diesen Text lesen kann.

Es ist nicht leicht, weil das Mut braucht:

Mut, unsere Angst vor der eigenen Scham zu überwinden.

Mut, unsere Angst vor Konflikten zu überwinden.

Mut, zu unseren Werten zu stehen.

Als ich letzte Woche einem Freund Informationen vorenthielt, war mir zwar bewusst, dass mein Verhalten mies war, dachte aber “no big deal”.

Bis mich der Freund anrief und sich ein Gespräch wünschte.
Ups. Ich spürte erste Impulse aufkommen: Verstecken, ignorieren, Kopf einziehen…

Es war Mittag und ich ging kurz raus, um zu reflektieren, was geschehen war. Ich dachte darüber nach, was ihm und mir wichtig war und nahm mein Bedauern wahr.

Dann hatten wir das Gespräch. Ich hörte zu, – versuchte zu verstehen, welche Auswirkungen mein Verhalten auf ihn hatte und drückte mein Bedauern aus. Versuchte einfach da zu sein. Dann geschah etwas, mit dem ich nicht unbedingt gerechnet habe:

Er hörte mir zu und gab mir Verständnis.

Das war eines der schönsten Geschenke, die er mir in diesem Moment geben konnte.

Ich war nicht ehrlich. Mein Freund hat es angesprochen und es hat uns nicht getrennt, sondern unsere Freundschaft gestärkt. Es war ein tiefer Moment des Vertrauens, trotz meines anfänglichen Verhaltens.

Das Beispiel zeigt: Fehler müssen nicht unbedingt zu einem Vertrauensbruch führen. Es kommt darauf an, wie du mit diesen Fehlern umgehst. Die Schwierigkeit Vertrauen wieder aufzubauen, steigt mit der Schwere der Konsequenzen – aber nicht nur die Schwierigkeit, sondern auch die Notwendigkeit.

Heute habe ich mich hingesetzt und unser Gespräch reflektiert. Was sind förderliche Haltungen um eigene und fremde Fehler anzusprechen? Folgende Mindsets waren in unserem Gespräch wesentlich:

Jeder Mensch macht in jedem Moment das Beste, was er/sie tun kann

Wir tun zu jedem Zeitpunkt, das Beste, was uns gerade möglich ist. Warum treffen wir trotzdem Entscheidungen, die wir später bereuen?

In dem Moment, in dem wir eine Entscheidung treffen, sind wir in unserer Wahrnehmung oft eingeschränkt. Wir sind uns nicht aller Möglichkeiten bewusst, die uns zur Wahl stehen.

Wenn wir später die Entscheidung beurteilen, ist unsere Wahrnehmung breiter. Wir sehen mehr Optionen und haben auch mehr Wissen, als zu dem Zeitpunkt an dem wir die Entscheidung trafen. (Das führt zum so genannten Rückschaubias.)

Diese Annahme ist weder bewiesen noch “wahr” aber sie funktioniert. Sie hilft dir, dich selbst und andere weniger zu verurteilen und mehr zu akzeptieren.

Auf das Gespräch wirkte sich die Annahme so aus, dass wir uns nicht gegenseitig verurteilten, sondern versuchten zu verstehen, was die Umstände für mein Verhalten waren.

Es gibt keine Fehler nur Feedback.

Fehler sind Entscheidungen, die ungewollte negative Auswirkungen hatten. Wenn wir beobachten, dass Verhalten X die ungewollte Auswirkung Y hatte, dann ist das zunächst nur eine Information.

Was wir aus dieser Information schließen, ist uns überlassen.

Was wir im Alltag typischerweise daraus schließen, sind Dinge wie:

  • Ich bin schlampig
  • Ich bin so zerstreut und achtlos
  • etc.

Diese Schlussfolgerungen sind genau so konstruiert wie folgende: Es gibt keine Fehler lediglich Feedback, wie wir unsere Bedürfnisse in Zukunft besser erfüllen können.

Nur ist die Letztere hilfreicher.

Konkret im Gespräch hat mir diese Haltung geholfen, mir selbst gegenüber mitfühlend zu bleiben und aus dieser Situation zu lernen. Hätte ich mich selbst klein gemacht und abgewertet („ich bin so achtlos“), hätte ich mir schwer getan, meinem Gegenüber voll zu zuhören.

Was wir tun, ist Ausdruck unserer Grundbedürfnisse.

Unsere Grundbedürfnisse sind weder gut noch schlecht. Sie sind einfach da. Unser Verhalten kann mehr oder weniger förderlich sein, diese Grundbedürfnisse zu erfüllen.

bedürfnisse

Einige Bedürfnisse, die wir alle teilen

Auf der Ebene unserer menschlichen Bedürfnisse können wir uns selbst und andere verstehen, ohne uns/sie zu verurteilen.

Mach dir bewusst, welche Bedürfnisse hinter deiner Entscheidung steckten? Macht das dein Verhalten verständlicher? Hilft dir das, mitfühlend mit dir umzugehen?

Reflektiere, welche Bedürfnisse der anderen Person dadurch nicht erfüllt wurden? Vielleicht ist der anderen Person Transparenz wichtig, weil das dazu beiträgt, dass sie sich nicht unnötig Sorgen macht?

Bedürfnisse helfen uns einander zu verstehen – sie sind unser grüner Nenner. Im Gespräch hat uns diese Annahme geholfen, Wut und Scham los zu lassen und daraus zu lernen, wie unsere Bedürfnisse in Zukunft besser erfüllt werden können.

 

Vergegenwärtige dir diese Haltungen. Dann gehe ins Gespräch und sei offen dafür, wie sich das Gespräch entwickelt.

Sprich das Verhalten und die ungünstigen Konsequenzen an. Drücke dein Bedauern aus. Höre zu. Mach dich aber nicht klein, sondern sei ganz da für den anderen und dich.

Was leuchtet dir ein?
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Alles Liebe und lass uns mit dem, was wir sagen, einen Unterschied machen,
Raphael

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