Wie du deinen Tagen mehr Leben gibst in einer hektischen Zeit

Unter der Morgendusche: Das Wasser rinnt über die Haut. Du spürst es und doch spürst du es nicht. Gedanklich klapperst du die To-Do Liste für den Tag ab.

Jetzt aber schnell raus aus der Dusche und rein ins Geschehen.

Das Frühstück schmeckt fantastisch. Doch du bekommst davon nichts mit: Schon bist du in Gedanken bei deinem nächsten Vorhaben. Die E-Mails müssen beantwortet werden, mittags musst du zu einer wichtigen Besprechung und spätestens um 15:00 Uhr muss ein Dokument fertig sein.

Einer der wichtigsten Balanceakte im Leben ist die Balance zwischen Tun und Sein (oder Productivity and Appreciation, wie sie Tim Ferris in seinem Podcast mit Maria Popova nennt). Diese Balance ist nicht einfach zu halten in unserer Zeit:

  • Wir definieren uns und unseren Wert stark über Leistung: Wer es zu nichts gebracht hat, ist nichts wert.
  • Multitasking ist in Mode: Frühstücken, E-Mails lesen und schreiben – gleichzeitig? Kein Problem!
  • Alles wird schneller. In einem durchschnittlichen Hollywood Film von 90 Minuten gibt es heute doppelt so viele Kameraeinstellungen wie vor 30 Jahren.

Unter diesen Umständen fällt es nicht leicht, einfach einmal abzuschalten und zu sein. Zudem du nicht nur durch deine Umwelt ständig beschäftigt bist. Hast du mal eine äußerlich ruhige Minute, geht’s im Kopf weiter:

  • Wir bewerten ständig alles, was um uns herum geschieht. (Scheißwetter, schlechte Musik, störende Geräusche,…)
  • Wir versuchen immer zu erklären, was um uns geschieht. (“Der Regen ist der Grund, warum ich so schlecht gelaunt bin.”)
  • Und wenn es unangenehm ist, versuchen wir es sofort zu verändern.

In einem Satz zusammengefasst:

Um uns herum wird alles schneller und auch unser Kopf macht selten Pausen.

Schwierige Bedingungen für etwas Ruhe und Kontakt mit uns selbst. Was kannst du also tun, um deine Tage mit mehr Leben und Sein zu füllen und die Hektik hinter dir zu lassen?

Kultiviere Achtsamkeit.

 

Achtsam leben

Achtsamkeit ist eine der wichtigsten Fähigkeiten in unserer Zeit. Doch was ist Achtsamkeit?

Achtsamkeit nach Jon Kabat-Zinn ist:

  • Ein absichtsvoller Zustand,
  • in dem du nichts bewertest oder Bedeutung gibst,
  • du dich auf das Jetzt beziehst. (Also Gedanken, Gefühle, Wahrnehmungen, die du jetzt von Moment zu Moment beobachten kannst.)

Wenn du achtsam bist, dann beobachtest du Dinge, ohne diesen Bedeutung zu geben. Achtsamkeit selbst kann ich aber nur beschreiben, in dem ich dem Begriff Bedeutung gebe.

Diese Geschichte bringt das Dilemma auf den Punkt:

„Einmal kam ein Mann zum Meister. Er bat ihn darum, ihm einige Weisheiten aufs Papier zu schreiben, damit er sie mitnehmen und immer wieder darauf schauen könnte.
Der Meister nahm einen Pinsel zur Hand und schrieb nur ein einziges Wort auf: „Achtsamkeit“.
Der Mann schaute enttäuscht.
„Das kann doch nicht alles sein, oder? Bitte schreib noch etwas dazu.“
Wieder griff der Meister zum Pinsel und schrieb „Achtsamkeit. Achtsamkeit.“
„Vergebt mir, aber das scheint mir weder sehr weise noch tiefsinnig zu sein.“ sagte der Mann.
Daraufhin schrieb der Meister: „Achtsamkeit, Achtsamkeit, Achtsamkeit“.
Der Mann fühlte sich vom Meister veralbert und wurde wütend.
„Was soll denn Achtsamkeit überhaupt bedeuten?“ rief er.
Da sagte der Meister: „Achtsamkeit heißt Achtsamkeit.“

Quelle Philip Kapleau: „The three pillars von Zen“

Achtsamkeit ist frei von Bedeutung und Urteilen. Deswegen: Achtsamkeit heißt Achtsamkeit. Nicht mehr und nicht weniger.

Dieses absichtsvolle, wertfreie Beobachten von Moment zu Moment hilft dir letztlich einfach zu sein – körperlich und geistig. Wie es dich das Zitat von Astrid Lindgren spüren lässt:

Und dann braucht man auch noch Zeit, um einfach da zu sitzen und vor sich hin zu schauen.

Astrid Lindgren

 

Achtsamkeit schafft Abstand zu eigenen Gedanken

Manche Gedanken bringen uns weiter, andere machen uns fertig. Meistens sind wir vollständig mit ihnen identifiziert, ohne uns bewusst zu sein, dass Gedanken weder grundsätzlich wahr noch falsch sind. Sie ziehen unsere Aufmerksamkeit an sich, und wir folgen ihnen blind.

Das muss so nicht sein.

Deswegen lade ich dich zu folgender Übung ein:

  • Beobachte für dreißig Sekunden deinen Atem.
  • Wenn Gedanken auftauchen, nimm sie wahr und gehe dann mit deiner Aufmerksamkeit freundlich zurück zum Atem.

(Nimm dir Zeit)

Wenn du die Übung gemacht hast, wirst du zwei Dinge erkannt haben:

  • Gedanken lassen sich nur eingeschränkt kontrollieren und sind eigenwillig. (Schon mal versucht 30 Sekunden nicht zu denken?)
  • Wer oder was hat die Gedanken beobachtet? Wenn du Gedanken beobachten kannst, schließe ich daraus, dass es noch einen Teil in deinem Geist gibt, der nicht denkt, sondern lediglich beobachtet.

Du bist also weit mehr als deine Gedanken.

Diese Erkenntnis schafft oft den notwendigen Abstand zu den eigenen Gedanken. Egal was deine Gedanken gerade treiben oder was sie gerade bewerten, planen, erklären, ändern wollen – du kannst sie mithilfe dieses beobachtenden Teils in dir einfach betrachten, ohne sie zu bewerten.

Während deine Gedanken business as usual betreiben, kommst du mit einem sehr ruhigen (mehr als ruhigen…) Teil in dir in Kontakt. Du kannst dich ganz in einen Zustand hineinentspannen, in dem du einfach nur bist.

Ulrich Ott, der Autor des Buches “Meditation für Skeptiker” beschreibt Achtsamkeit folgendermaßen:

„Ich gehe beim Meditieren auf einen Berg und schaue hinunter ins Tal. Das heißt, ich bin nun in einer Position, die ein bisschen dem Alltagsgeschäft enthoben ist und kann auf das Ganze herunterschauen.“

So gelangst du nicht nur in einen tiefen, entspannten Zustand, du erkennst auch besser Zusammenhänge. Welche Gefühle hängen mit welchen Gedanken und Bedürfnisse zusammen?

Dadurch, dass du Zusammenhänge besser erkennst, verstehst du dich selbst besser und entwickelst mehr Verständnis für dich. So trainierst du mehr und mehr deine Fähigkeit, dich selbst anzunehmen.

Jeder Moment ist eine neue Chance achtsam zu sein (und auch deine Einzige). Damit es dir leichter fällt, in diesen Zustand zu kommen, kannst du diese Fähigkeit durch Übungen entwickeln. Das geht allerdings nicht von heute auf morgen.

Du hast Lust bekommen, deine Fähigkeit achtsam zu sein, zu fördern?

In diesen Artikeln findest du einige Übungen, die dir dabei helfen können:

7 Achtsamkeitsübungen – Jetzt gibt es keine Ausrede mehr von afschin.com
10 einfache Wege zu mehr Achtsamkeit und weniger Stress im Alltag von myMonk.de

 

Fazit

Achtsamkeit ist eine der wichtigsten Fähigkeiten in unserer heutigen Zeit und Gesellschaft. Sie hilft dir eine Balance zwischen Tun und Sein zu wahren. Unabhängig von der Schnelligkeit unserer Zeit.

Durch Achtsamkeit bringst du deinen Geist und Körper zur Ruhe und in einen tiefen entspannten Zustand, in dem du einfach sein kannst. Du gewinnst Abstand von deinen Gedanken und einen weiten, unbefangen Blick für Lösungen. Achtsamkeit fördert außerdem deine Fähigkeit, dich selbst zu akzeptieren.

Jetzt bist du gefragt: Praktizierst du Achtsamkeit? Wenn ja, wie? Wenn nein, was hält dich davon ab?

Und wenn du das nächste Mal unter der Dusche stehst, spürst du vielleicht das Wasser auf deinem Gesicht? Deinem Rücken? Deinen Füßen? Nimmst die Gedanken wahr, die kommen?

Und gönnst dir so bereits am Morgen eine Prise “einfach sein”…

Alles Liebe,
Raphael

Quellen und Inspiration zum Thema:
Wherever you go, there you are – Jon Kabat-Zinn
Gesundheit durch Meditation – Jon Kabat-Zinn
Einfach Meditation – Jack Cornfield
http://www.persoenlichkeits-blog.de/article/215/achtsamkeit-das-beste-mittel-gegen-ihren-alltagsstress
http://www.zeitzuleben.de/22589-achtsamkeit-leben/
http://leben-ohne-limit.com/7354/achtsamkeit-den-alltag-bringen/
http://afschin.com/entschleunigen/

Photocredit
© Depositphotos.com/BrianAJackson

  1. Afschin Antworten

    Hey Raphael,

    Dieser Satz hat mich in deinem Beitrag besonders berührt: „Achtsamkeit ist eine der wichtigsten Fähigkeiten in unserer Zeit…“ und dieser auch „Jeder Moment ist eine neue Chance achtsam zu sein (und auch deine Einzige).“ 🙂 beide Aussagen kann ich voll und ganz unterstreichen.

    Du hast wirklich eine tollen Beitrag über Achtsamkeit geschrieben und eine schöne Sammlung aus anderen Blogs zusammengestellt. Und danke, dass ich bei sein darf 🙂

    Herzliche Grüße und weiter viel Erfolg
    Afschin

    • Raphael Antworten

      Hallo Afschin,

      danke für dein Kommentar.
      Wer in Blogs Inspirationen zum Thema Achtsamkeit sucht, stößt zwangsläufig auf deinen Blog und bleibt hängen. 🙂

      Alles Liebe,
      Raphael

  2. Grisu Antworten

    Hoi Raphael,

    Danke für dieses wichtige Wort – Es wird mich ab jetzt bewusster begleiten.
    Alleine das Lesen bedingt – „Achtsamkeit“.
    Gerade in unserer „Wohlstandsgesellschaft“ ist es von besonderer Bedeutung.

    • Raphael Antworten

      Hallo Christian, danke für deinen Kommentar. Das freut mich und ich stimme dir voll zu. Morgen werde ich einen neuen Beitrag über Achtsamkeit veröffentlichen – mehrere Menschen werden über ihre Erfahrungen mit Achtsamkeit berichten. 🙂

      Alles Liebe,
      Raphael

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